Freitag, 17. April 2009

Immer aktuell: Reisethrombose

Ein immer aktuelles Thema ist die „Reisethrombose“. Ärzte und Fluggesellschaften wußten schon lange von den Gefahren, die lange Reisen im Flugzeug (aber auch im Bus) mit sich bringen. Richtig darauf aufmerksam wurden viele Menschen aber erst, als der Tod der jungen Engländerin Emma Christoffersen Schlagzeilen machte. Sie war im Jahr 2000 nach einem 20-stündigen Flug von Sydney nach London auf dem Flughafen Heathrow nach einer Lungenembolie tot zusammengebrochen.
Dabei müssen es gar nicht einmal 20 Stunden sein, es genügen bisweilen schon 4 Stunden, die man mit angewinkelten Beinen bewegungslos im Flieger oder Reisebus sitzt, um eine Venenthrombose hervorzurufen. Was kann man dagegen tun? Die folgenden Ausführungen gelten für Flugreisen, sind sinngemäß aber auch bei langen Busreisen anwendbar.

Ganz wichtig: Kompression

Im Sanitätshaus gibt es spezielle Kniestrümpfe, die in etwa einem Kompressionsstrumpf der Klasse 1 entsprechen. Diese „Reisestrümpfe“ sollten Venengesunde am Reisetag bereits beim Aufstehen anziehen und den ganzen Trag über tragen, nicht nur während des Fluges. Wenn sie am Zielort im Hotel angekommen sind und dort zu Bett gehen, können sie sie ausziehen. Für Menschen, die bereits Probleme mit den Venen haben, reichen die Reisestrümpfe nicht aus. Sie brauchen wenigstens Kompressionsstrümpfe der Klasse 2. Venenkranke bekommen sie ohnehin vom Arzt verschrieben. Aber auch Venengesunde, die noch sicherer gehen wollen, können diese Kompressionsstrümpfe im Orthopädiefachhandel selbst kaufen, denn sie sind nicht rezeptpflichtig. Obwohl ich persönlich im Allgemeinen mehr von Kompressionsstrumpfhosen oder oberschenkellangen Strümpfen als von Kniestrümpfen halte (viele Ärzte und Patienten sind da anderer Ansicht), würde ich bei Flugreisen in der „Economy Class“ nur Kompressionskniestrümpfe tragen. Warum? Beim Sitzen mit stark angewinkelten Beinen, wie es bei den schmalen Sitzabständen der Billigflieger unumgänglich ist, bilden lange Strümpfe oder eine Strumpfhose Falten in den Kniekehlen. Das ist aber nicht nur sehr unbequem, sondern kann unter Umständen auch zu einer Venenstauung in den Unterschenkeln führen, anstatt sie zu verhindern. Wer seine Beine nur schwach anwinkeln muß oder sogar ausstrecken kann, der mag lange Strümpfe oder eine Strumpfhose tragen. Das geht aber bei den schmalen Sitzabständen nicht.

Sitzplatz am Gang wählen

Viele Reisende bevorzugen zwar Sitzplätze am Fenster, aber besser ist ein Sitzplatz am Gang. Dann kann man immer wieder einmal aufstehen und im Flugzeug hin und her laufen. Zudem erleichtert es den Gang zur Toilette, wenn man nicht jedesmal über seine Nachbarn hinweg klettern muß.

Viel trinken (aber keinen Alkohol und keinen Kaffee)

Viel Flüssigkeit in Form von Mineralwasser verhindert auch, daß das Blut zu sehr eindickt. Alkohol und Kaffee sollte man meiden, denn sie entwässern.

Fußgymnastik

Auch beim Sitzen öfter mit den Füßen auf und ab wippen (wie beim Nähmaschinentreten), damit die Wadenmuskelpumpe in Aktion tritt.

Heparin für Hochrisikopatienten

Patienten mit hohem Risiko für eine Venenthrombose können zusätzlich Heparin spritzen.

Donnerstag, 16. April 2009

Ein Gespräch über Kompressionsstrümpfe

Heute sprach mich in der Stadt eine Frau an, der meine Kompressionsstrümpfe aufgefallen waren. „Sie tragen ja Ihre Strümpfe zur kurzen Hose, das sieht gar nicht schlecht aus“ meinte sie. Dann gab sie zu, daß sie selbst welche tragen muß, aber damit nicht ganz konsequent ist. „Ich trage sie bei jeder Temperatur, gerade auch bei 30 oder 35 Grad, denn da haben die Beine den Halt besonders nötig“ antwortete ich.
Also noch einmal, meine Damen und Herren: Tragen Sie, sobald es wärmer wird, Ihre Kompressionsstrümpfe oder Kompressionsstrumpfhosen mit Röcken oder Shorts. Setzen Sie sich nicht der Qual aus, die Ihnen bei Hitze eine lange Hose über den Strümpfen bereitet. Aber tragen sie Ihre Kompressionsartikel und lassen sie sie - um Gottes willen - nicht bei Hitze weg!

Kompressionsstrümpfe im Sommer? Ja!

Es wird immer behauptet, man könne Kompressionsstrümpfe oder gar -strumpfhosen im Sommer aufgrund der Hitze nicht tragen. Das stimmt nicht! Ein Hitzestau entsteht nur durch eine lange Hose über den Strümpfen. Wer seine Kompressionsstrumpfhosen mit einem kurzen Rock oder einer Shorts trägt, hat keine Probleme damit. Aber Frauen sind oft eitel und wollen mit solchen Strümpfen nicht gesehen werden. Auch viele Männer nicht, denn sie schämen sich, daß sie solchen „Weiberkram“ überhaupt tragen müssen, zumal wenn es sich um lange Strümpfe oder eine Strumpfhose handelt. Doch die Hindernisse gibt es nur in den Köpfen der Patienten. Andere Menschen interessieren sich kaum jemals dafür, was man trägt.


"Omastrümpfe"?

Oft liest man in diversen Internetforen, wie schrecklich doch diese "Omastrümpfe" sind, die irgendjemand nach einer Thrombose tragen muß. Vielfach sind es junge Frauen, die mit einer Vehemenz über die Strümpfe herziehen, die mich jedesmal ärgert. Sie sollten froh sein, daß es in unserem Land die Möglichkeit gibt. Wer aus der armen Bevölkerungsschicht eines Entwicklungslandes kann sich denn solche Strümpfe leisten? Da kommt es oft früher oder später zum "offenen Bein". In Deutschland müßte das nicht sein. Aber viele Patienten tragen nach einer Thrombose die vom Arzt verordneten Kompressionsstrümpfe nicht und fordern dieses Schicksal damit geradezu heraus. Oder sie verzichten gerade dann darauf, wenn sie die Strümpfe am dringendsten brauchen: im Sommer.

Wer braucht medizinische Kompressionsstrümpfe?

Es ist so, daß viel mehr Menschen Kompressionsstrümpfe nötig hätten, als diejenigen Personen, die sie auch tragen. Nach der "Bonner Venenstudie", die in den Jahren 2000 bis 2002 erhoben wurde, leidet jeder 6. Mann und jede 5. Frau an einer behandlungsbedürftigen chronischen Veneninsuffizienz. Nur ein Bruchteil von ihnen trägt Kompressionsstrümpfe. Das liegt auch daran, daß Kompressionsstrümpfe ein schlechtes Image haben, und das immer noch, obwohl die Strumpfhersteller sich in den vergangenen Jahren viel einfallen ließen, um die Bereitschaft zum Tragen zu erhöhen. In den Kompressionsklassen 1 und 2 gibt es sie inzwischen in vielen Farben, mit leichtem Glanz, mit besonders hautschonender Aloe vera, ja sogar mit Schmuckapplikationen. Wer auf höhere Kompressionsklassen oder Flachstrickstrümpfe (mit der hinteren Naht) angewiesen ist, kann immerhin eine Feinstrumpfhose in beliebiger Farbe darüberziehen, um die Kompressionsstrümpfe zu kaschieren.

Wie entsteht eine Venenthrombose?

Thrombosen entwickeln sich nicht aus heiterem Himmel, auch wenn es manchmal den Anschein dazu haben mag. Die Erklärung des deutschen Pathologen Rudolf Virchow (1821-1902) aus dem Jahr 1856 ist heute noch gültig. Er führte drei Gründe zur Thromboseentstehung an, weshalb seine Theorie auch als "Virchowsche Trias" bekannt ist. Eine Thrombose entsteht danach aus einer Stauung des Blutes (Stase), einer erhöhten Gerinnungsneigung des Blutes (Hyperkoagulabilität) und einer Schädigung der inneren Venenwand (Endothelschädigung). Es müssen nicht alle drei Faktoren zusammenkommen, um eine Thrombose auszulösen.
Die erhöhte Gerinnungsneigung ihres Blutes ist vielen Menschen nicht bekannt, denn oft merken sie von dieser angeborenen Blutgerinnungsstörung nichts, bis zum ersten Mal eine Thrombose - und, wenn sie großes Pech haben, eine tödliche Lungenembolie - auftritt. Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an die junge Engländerin Emma Christoffersen, die im Jahr 2000 im Alter von 28 Jahren nach einem 20-stündigen Flug von Australien nach England auf dem Flughafen London Heathrow tot zusammenbrach. Das bewegungslose Sitzen mit angewinkelten Beinen in der schmalen Sitzreihe der "Economy Class" führte zur Stauung des Blutes in ihren Beinvenen und zur Entstehung einer Thrombose. Als sie dann nach der Ankunft auf dem Flughafengelände lief, löste sich ein Blutpfropf ab und führte zur tödlichen Lungenembolie. Das passiert gar nicht so selten, aber es tritt oft Stunden später auf und wird deshalb von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Ein Beispiel dafür ist ein Bekannter meiner Frau. Er war mit Freunden von Deutschland auf die Philippinen geflogen und nach der Ankunft dort unternahmen sie noch einen kleinen Spaziergang vor ihrem Hotel. Der junge Mann verstauchte sich den Fuß ein wenig, weshalb ihn die Freunde auf dem Weg zum Hotel zurück etwas stützten. Aber es schien nichts Größeres zu sein und er legte sich am Abend schlafen. Als er am nächsten Morgen nicht zum Frühstück erschien, wurde sein Zimmer geöffnet und er lag tot im Bett. Es ist ziemlich sicher, daß sich während des langen Fluges eine Venenthrombose gebildet hatte, die in der Nacht zu einer tödlichen Embolie führte. Das Verstauchen des Fußes verschlimmerte das Ganze noch zusätzlich.

Eine weitere Gefahr, deren sich die meisten Menschen nicht bewußt sind, besteht in angeborenen Blutgerinnungsstörungen. Bedeutsam für das Entstehen von Blutgerinnseln (Thrombosen) sind hier diejenigen Störungen, die dafür sorgen, daß das Blut leichter gerinnt. Man spricht auch von einer "Thrombophilie", einer Neigung zu Thrombosen. Davon gibt es eine ganze Anzahl, aber die häufigste ist die APC-Resistenz, auch als "Faktor-V-Leiden-Mutation" bezeichnet, weil sie erstmalig in der niederländischen Stadt Leiden beschrieben wurde. Etwa 5 bis 7 Prozent der Bevölkerung sind Träger dieser Genmutation, allerdings meist in der heterozygoten Form, das heißt, sie haben nur von einem Elternteil eine mutiertes Gen bekommen, das andere ist unverändert. Aber bereits solche Menschen haben ein fünf- bis zehnfach erhöhtes Thromboserisiko gegenüber Personen, die das Gen nicht besitzen. Personen mit zwei mutierten Genen, der homozygoten Form, besitzen sogar ein hundertfach (!) erhöhtes Thromboserisiko.
Auch ich gehöre zu dem Personenkreis mit der APC-Resistenz, zum Glück nur in der heterozygoten Form.



Mein Leben mit Kompressionsstrümpfen

Kompressionsstrümpfe - oder "Gummistrümpfe", wie sie früher genannt wurden - allein diese Worte bereiten vielen Menschen Unbehagen. Mit meinem Blog möchte ich die Angst vor diesem medizinischen Hilfsmittel abbauen. Ganz entgegen ihrem schlechten Ruf sind medizinische Kompressionsstrümpfe eine hochwirksame therapeutische Maßnahme, um Erkrankungen des Venen- und Lymphsystems, wenn auch nicht zu heilen, so doch wenigstens erträglich zu machen. Im besten Fall läßt sich das Leiden damit so gut in den Griff bekommen, daß außer den Strümpfen keine weitere Therapie notwendig ist und man (fast) so leben kann wie vorher.

Lebensqualität trotz Kompressionsstrümpfen? Ganz klar ja! Oder wollen Sie lieber mit schmerzenden, geschwollenen Beinen durch's Leben gehen? Oder ein venöses Beingeschwür bekommen? Oder krampfaderübersäte Krautstampfer der Öffentlichkeit präsentieren? Oder eine neue Thrombose und womöglich eine tödliche Lungenembolie bekommen? Dann verzichten Sie auf Ihre Strümpfe. Ich wünsche Ihnen viel Glück!

Die Ratschläge, die ich im Verlauf des Blogs gebe, fußen auf meinen eigenen Erfahrungen. Ich übernehme aber keine Haftung für irgendwelche Folgen beim Ausprobieren dieser Ratschläge. Die Leserinnen und Leser meines Blogs bitte ich, vorher immer den Arzt zu fragen. Aber auch in diesem Fall trägt natürlich jeder das Risiko für sich selbst und handelt auf eigene Verantwortung!